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Online-Veranstaltung am 6. Februar 2024
Programm (PDF, 348 KB)
Am 6. Februar folgten rund 230 Teilnehmende der Einladung zum Online-Workshop „Flächenschutz braucht mehr Aufmerksamkeit - Strategien und Handlungsansätze für eine aktive Ortsinnenentwicklung“. Anlass der digitalen Zusammenkunft war die aktuell steigende Flächeninanspruchnahme für Siedlung, Gewerbe und Verkehr.
Das Thema der Flächeninanspruchnahme ist wahrlich kein neues. Es lohnt daher ein Blick in die Historie und die Statistik: Denn bereits seit mehr 40 Jahren ist die „deutsche Flächenwende“ erklärtes politisches Ziel.
2002 wurde erstmals ein quantifizierbares Ziel formuliert, um die zusätzliche Flächeninanspruchnahme für Siedlung, Verkehr und Gewerbe zu reduzieren: Bis zum Jahr 2020 sollten maximal 30 Hektar am Tag für Siedlung und Verkehr umgewandelt werden. Auch wenn dieses Ziel für das Jahr 2020 nicht erreicht wurde, konnte das Tempo der Flächenumwandlung von anfänglich etwa 120 Hektar am Jahr in den frühen 2000er Jahren auf einen bisherigen Tiefststand auf 52 Hektar am Tag im vierjährigen Mittel der Jahre 2016 bis 2019 reduziert werden.
Dieser positive Trend ist jedoch ins Stocken geraten. Mehr noch: Die zusätzliche Flächeninanspruchnahme ist sogar wieder leicht gestiegen. Heute sind wir bei etwa 55 Hektar am Tag.
Prof. Siedentop von der Technischen Universität Dortmund stellte in seinem einführenden Vortrag heraus, dass der aktuelle Zuwachs von Siedlungs- und Verkehrsfläche vor allen Dingen in den ländlichen Räumen zu verorten ist. Die aktuell hohe Wohnraumnachfrage identifizierte er als zentralen Treiber: Im Zeitraum von 2018-2022 gingen etwa 55 Prozent der Flächeninanspruchnahme auf die Schaffung von Wohnraum zurück – insbesondere von Einfamilienhäusern. Dabei würde das Innenentwicklungspotential in ländlichen Räumen häufig unterschätzt, so Siedentop. Obwohl mittlerweile ein gutes Instrumentarium für Kommunen vorliege, erschweren Zielkonflikte, widersprüchliche Anreize sowie koordinatorische Defizite die Bemühungen für ein Flächensparen. Dennoch könne vor Ort viel getan werden.
In der LEADER-Region Wetterau ist aus einem Forschungsprojekt eine Regionalstrategie Ortsinnenentwicklung entstanden, der nun mit einem bunten Strauß an Maßnahmen umgesetzt wird. Bei Bürgerinnen und Bürgern, kommunalen Entscheidungsträgern und Verwaltungen wird für das Thema Flächenschutz geworben und Hilfestellungen angeboten.
Die beiden Referentinnen boten einen Einblick, wie die bayerische Flächensparoffensive im Regierungsbezirk Unterfranken umgesetzt wird. Sie stellten eine große Fülle von beispielhaften Projekten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, der Beratung, der Bauflächenvermittlung und auch Förderung für mehr Innenentwicklung vor. Gleichzeitig verwiesen sie darauf, dass sich die großen Bemühungen für mehr Flächenschutz statistisch bisher nicht bemerkbar machen. Unter anderem seien Zielkonflikte vor Ort und eine fehlende Verbindlichkeit zentrale Hemmnisse für weitere Fortschritte.
Der sogenannte „Projekt-Check“ hilft die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von neuen Flächenplanungen frühzeitig abzuschätzen. Für Neubauprojekte können mit dem Instrument in einem frühen Planungsstadium die „wahren“ Folgekosten objektiv ermittelt und transparent gemacht werden. Das frei zugängliche Werkzeug wurde von der HafenCity Universität Hamburg und anderen Projektpartnern entwickelt. Es steht unter diesem Link kostenfrei zur Verfügung:
Das Architekturbüro Sutter³ wirbt dafür, Bestandsbauten als Chance zu begreifen. Mit zahlreichen Beispielen zeigte Cornelia Haas, welches Potential in der Umnutzung von bestehenden Immobilien steckt, wie auf diese Weise Baudenkmäler bewahrt und gleichzeitig ökologische Aspekte mitgedacht werden können.
Schließlich ging es zum Ende der Veranstaltung um die Planung von möglichst flächenschonenden Neubauvorhaben. Rolf Messerschmidt führte in die Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen für eine nachhaltige Quartiersentwicklung ein. Anhand eines Praxisbeispiels demonstrierte er, wie durch eine umfassende Beteiligung herkömmliche Planungsmuster durchbrochen werden können, um damit unter anderem die Flächenversiegelung möglichst gering zu halten.
Aus vielen Beiträgen wurde deutlich, dass es für mehr wirksamen Flächenschutz eine Anpassung der aktuellen Rahmenbedingungen braucht.
So bleibt es eine Herausforderung, dass die auf Bundes- und zum Teil auf Landesebene formulierten Flächenziele nicht auf die unteren Ebenen heruntergebrochen werden und wenig verbindlich sind. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass der Flächenschutz anderen Zielen untergeordnet wird.
Die Erfahrung zeigt, dass das Engagement für eine flächensparende Siedlungsentwicklung sehr von den Überzeugungen einzelner Entscheidungsträger abhängt. Unter diesen Rahmenbedingungen ist Überzeugungsarbeit für das Thema auf allen Ebenen zentral.
Flächensparende Siedlungsentwicklung muss sowohl systemisch in kommunales Handeln integriert als auch interkommunal gedacht und umgesetzt werden. Die bestehenden Instrumente können dazu eine gute Hilfestellung bieten. Ihre Anwendung ist aber nur durch den Aufbau von Personalressourcen und Fachwissen in den Kommunen sowie dem Abbau von Berührungsängsten gegenüber technischen Lösungen möglich.
Gleichzeitig braucht es bessere Anreize und Akzeptanz für die konsequente Innenentwicklung und den Bestandsumbau – beispielsweise durch bessere Förderbedingungen, Vorkaufsrechte für die Kommune oder Baugebote.