Projekte der ländlichen Entwicklung

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Kooperation Hessenfleisch – Entwicklung der Wertschöpfungskette Hessenfleisch

Strohstall-Klapp mit automatischem Einstreu

Strohstall-Klapp mit automatischem Einstreu, Bild: BGL

Stand:

01.01.2019

Kontakt:

BGL Baubetreuungsgesellschaft für landwirtschaftliches Bauen mbH

Bernd Vaupel

Rudolf-Harbig-Str. 4

34576 Homberg/Efze

05681 / 7706-61

bernd.vaupel@bgl-baubetreuung.de

Weitere Partner:

Mitglieder der Kooperation:

  • 14 landwirtschaftliche Unternehmen
  • 9 Fleischerei-und Metzgereibetriebe
  • Regionalbauernverband Kurhessen e.V.
  • Agrarberatung Nordhessen GmbH
  • Helwig Handels GmbH & Co. KG
  • Claus und Ralf Helwig Immobilien GmbH
  • Thomas Pfanzelt Viehhandel GmbH
  • Thomas und Anja Pfanzelt GbR
  • Landkreis Waldeck-Frankenberg
  • Landkreis Schwalm-Eder
  • Landkreis Kassel
  • Justus-Liebig-Universität Gießen

Assoziierte Partner:

  • MGH GUTES AUS HESSEN GmbH

ELER-Förderung:

ja

Finanzierung:

  • 96.889,75 € (Zuwendung)
  • 193.779,49 € (Zuwendungsfähige Ausgaben)

Laufzeit:

2019 bis 2022

Themen:

  • Förderung regionaler Wirtschaft
    • regionale Finanzierungsmodelle
  • Vermarktung
    • Regionalmarketing

Förderperiode:

  • ELER 2014 - 2022

Beschreibung

Zusammenfassung:

In Nordhessen vernetzt ein Projekt rund 30 Unternehmen der Wertschöpfungskette Fleisch. Die „Kooperation Hessenfleisch“ bewahrt eine regionale Wurstsorte und sorgt dafür, dass die Umsätze in der Region bleiben.

Ausgangssituation:

Corona hat die Nachfrage angeheizt. Verbraucher aus der Region und darüber hinaus bestellen mittlerweile bei Fleischermeister Fritz Kästel weit mehr Fleisch- und Wurstwaren als zuvor. „Wir stoßen im Logistikbereich an unsere Grenze; der Online-Versand nimmt vor allem überregional immer mehr zu“, sagt Kästel. Deshalb müsse sich der Betrieb neu aufstellen. Über das Projekt „Kooperation Hessenfleisch“ wird er für sein Unternehmen, die Fleischerei und Party-Service Kohl-Kramer GmbH, die er gemeinsam mit seiner Frau Gabriele, ebenfalls Fleischermeisterin, im nordhessischen Borken führt, einen Förderantrag stellen.

Der Betrieb ist einer von rund 30, die sich in der Region für das Projekt zusammengeschlossen haben. An der Kooperation beteiligen sich Unternehmen aus dem Bereich der Landwirtschaft, Fleischverarbeitung und -vermarktung; auch Hofläden und Direktvermarkter sind an Bord. Der Regionalbauernverband Kurhessen, der Landkreis Waldeck-Frankenberg und die Universität Gießen begleiten das Projekt. Kästel, der in seinem Unternehmen schon immer auf regionale Zusammenarbeit setzt, hat vor vielen Jahren mitgeholfen, das Netzwerk aufzubauen, aus dem 2019 die Kooperation Hessenfleisch hervorging.

„Auslöser, dieses Projekt zu starten, war die Schließung des Schlachthofs Kassel,“, sagt Bernd Vaupel. Er ist Geschäftsführer der Betreuungsgesellschaft für landwirtschaftliches Bauwesen und Hauptverantwortlicher für das Projekt. Der Schlachthof in Kassel war wichtig für Nordhessen und hatte mehreren fleischverarbeitenden Betrieben der Region kurze Wege und die Herstellung eines traditionellen nordhessischen Produkts ermöglicht: Denn nur, wenn Schweinefleisch direkt nach der Schlachtung warm verarbeitet wird, lässt sich die „Ahle Worscht“ herstellen. Mit gekühltem Schweinefleisch ist das nicht möglich, die Fleischanlieferung aus der Ferne demnach keine Option.

  • Fehlende Abstimmung hessischer Betriebe im Bereich der Schlachtvieherzeugung und Fleischvermarktung
  • Großer Einfluss außerhessischer Unternehmen auf angebotene Erzeugnisse
  • Global tätige Unternehmen drängen auf der Urproduktionsebene einheimische Nutztierrassen zurück
  • Sicherstellung der Herstellung der Ahle Wurscht bzw. Nordhessische Ahle Worscht durch eine Warmverarbeitung der Rohware
  • Sicherstellung einer regionalen Schlachtung von Nutztieren nach der Schließung des Schlachthofes in Kassel, damit einhergehend deutliche Verbesserung des Tierwohls durch kurze Transportwege und Einsatz moderner Technik

Inhalt:

Anhand dieses Regionalprodukts wird ersichtlich, was es bedeuten kann, wenn eine regionale Wertschöpfungskette unterbrochen wird: Eine Tradition drohte verloren zu gehen und weitere Strukturveränderungen in der Branche zeichneten sich ab. Mehr Tiere aus der Region wären in andere Bundesländer transportiert und dort wahrscheinlich von Großunternehmen geschlachtet und verarbeitet worden. Gleichzeitig wäre auch ein Großteil der Umsätze außerhalb der Region erwirtschaftet worden, weil – verkürzt gesagt – veredelte Produkte mehr einbringen. Das wollten weder die nordhessischen Fleischer noch die Politik zulassen – Startschuss für das Projekt Kooperation Hessenfleisch.

„Es ist ausdrücklicher politischer Wunsch, dass es in Hessen weiterhin Profischlachtung gibt“, sagt Vaupel. „Solche Strukturen zu erhalten, gelingt nur, wenn die Politik sie fördert.“ Als ELER-Projekt kommen die Gelder dazu auch aus Brüssel und sind mit 40 Prozent Förderanteil höher bemessen als bei anderen Förderprogrammen. Das freut Vaupel, denn es schaffe einen Anreiz, sich durch die mehrseitigen Förderformulare zu arbeiten. „Durch die Unterstützung wird das unternehmerische Risiko kleiner. Im Bereich Fleisch reden wir in Nordhessen von Einzelunternehmen oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts – sie haften für alle Investitionen mit ihrem Privatvermögen.“

Das Institut für Betriebslehre der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen hat eine sehr umfangreiche Analyse erstellt, die Bedingungen und Perspektiven für eine nachhaltige und zukunftsfähige Erzeugung, Schlachtung, Verarbeitung und Vermarktung von Schweine-und Rindfleischprodukten erforscht. Sie bietet eine Grundlage, um regionale Strukturen in Nordhessen weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus wurden im Rahmen des Vorhabens für zwei Schlachthöfe Einzeluntersuchungen in Auftrag gegeben. In Arolsen-Mengeringhausen konnten Möglichkeiten eines Folgebetriebes aufgezeigt werden, die Akteure vor Ort weiterverfolgen. Ebenso erhielten verschiedene Mitgliedsbetriebe bei ihren anstehenden Investitionsvorhaben im Bereich der Schlachtung und Verarbeitung Begleitung und Unterstützung.

Als ein Vorhaben der Kooperation kommt der Errichtung eines neuen Schlachtbetriebes in Schwalmstadt-Ziegenhain dabei für die Region eine herausgehobene Bedeutung zu.

Im Laufe des Vorhabens wurde jedoch auch deutlich, dass der Wunsch nach Zusammenarbeit in diesem Vorhaben zwischen Erzeugern – Lebendviehhandel – Schlacht- und Zerlegebetrieben – Metzgern weniger ausgeprägt ist als zu Beginn des Vorhabens gedacht. Demgegenüber wird über das Vorhaben der MGH mit ihrer Plattform eine stärkere Vernetzung von Metzgern und Landwirten erreicht.

Ziele:

Übergeordnetes Ziel war es, ein Netzwerk über alle Stufen der Wertschöpfungskette, von der Produktion hin zur Vermarktung, aufzubauen. Dabei standen folgende Elemente im Fokus:

  • Studie der JLU Gießen zur Schweine– und Rindfleischproduktion in Nordhessen und angrenzenden Regionen
  • Abstimmung zu Bedarfen und Arbeiten zwischen den einzelnen Markt-beteiligten
  • Auf-und Ausbau regionaler Wirtschaftskreisläufe
  • Tierschutz und Tierwohl leichter umsetzen

Besonderheiten:

Damit insbesondere Fleischereien von der Förderung profitieren, bewirbt Vaupel das Projekt bei den Fleischerinnungen in Hessen. Er hält diese Werbung bei den Praktikern für unerlässlich, damit sie vom Projekt erfahren und Fragen stellen können. Mit im Gepäck hat er die Erfolgsgeschichte der Fleischerei Schmitt aus Ottrau, die durch geschickte Investitionen und Fördergelder zukunftsfähig geworden ist.

„Vor allem durch solch ein gutes Beispiel kann man Interesse wecken, sich an einem Projekt zu beteiligen“, so Vaupel. Nur so könne es gelingen, die Unternehmen über die Fördermöglichkeiten aufzuklären und die Branche zu erhalten.

Perspektiven:

Durch die Corona-Pandemie musste er seine Vor-Ort-Besuche zwischenzeitlich einstellen, möchte aber wieder Vorträge bei Fleischerinnungen halten, sobald es möglich wird. Fleischereien sieht er als Bindeglied und gleichzeitig Schwachstelle im System der Fleischproduktion, weil das Fortbestehen vieler unsicher ist: Betriebsauflagen der Veterinärbehörden und des Gesundheitsamts sind strenger geworden und machen oftmals große Investitionen in die kleinen Betriebe nötig. Das führte in Nordhessen in der Vergangenheit zu Betriebsaufgaben. Das Projekt unterstützt deshalb Schlachtereien sowie Betriebe, die schlachten und das Fleisch weiterverarbeiten – wie die Fleischerei Kohl-Kramer – und auch solche, die von der Tiermästung über die Schlachtung bis hin zur Herstellung von Produkten wie der Ahlen Worscht alles selbst übernehmen. Diese Unternehmen haben durch das Projekt neue Geräte und Maschinen angeschafft und ihre Schlachtereien modernisiert; zudem wird in der Region eine neue Viehsammelstelle gebaut.

„All diese Betriebe sind wichtig, denn sie halten die Wertschöpfung in der Region“, sagt Vaupel. „Sie bieten Arbeitsplätze – und zwar gute Arbeitsstellen, die mit neuen Geräten ausgestattet sind. Dadurch werden die Jobs in der Fleischproduktion attraktiver.“ Gleichzeitig fließen die Steuergelder der Betriebe an die Kommunen, etwa durch die Gewerbesteuer. Die Verbraucher stehen am Ende der Wertschöpfungskette, sie unterstützen mit dem Kauf von Regionalprodukten die Unternehmen und tragen dadurch zum Fortbestand der Branche bei.
„An diesem Beispiel sieht man außerdem, dass durch ein regionales Produkt eine tierfreundlichere Herstellung von Lebensmitteln möglich ist“, sagt Vaupel. „Die Mastschweine aus Nordhessen müssen nicht durch die halbe Republik nach Nordrhein-Westfalen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt transportiert werden. Sie werden in den Landkreisen, in denen sie gemästet werden, geschlachtet und weiterverarbeitet.“

Mehr Anerkennung für solche Leistungen der traditionellen konventionellen Fleischproduktion wünscht sich auch Fleischermeister Kästel: „Mit größerer politischer Unterstützung wäre sicherlich noch mehr möglich. Denn das, was gerade ein Hype ist –Nachhaltigkeit, kurze Wege und Regionalität –, leben wir seit drei Generationen.“ Als er seine Frau kennenlernte, so schildert er, habe man ihnen davon abgeraten, selbst zu schlachten. Viele hielten damals den Zukauf von Fleisch für effizient und fortschrittlich. Das Ehepaar ließ sich nicht abbringen und blieb bei seinem Unternehmenskonzept der regionalen Schlachtung, Wurstherstellung und Vermarktung. Heute sind beide Fleischsommeliers, Fritz Kästel ist außerdem Wurst- und Schinkensommelier. Für seine Produkte hat das Unternehmen Preise und Auszeichnungen erhalten. Über die Zukunft des Betriebs macht sich Kästel keine Sorgen: Sein Sohn legt gerade die Meisterprüfung ab.

Fragen zur Projektsammlung?

Felix Kupfernagel
0228 68 45 31 19
felix.kupfernagel@ble.de

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